Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Beschwerden eines Reizdarms zu lindern. Was eine FODMAP-Diät ist und warum sie eine bewährte Ernährungsweise beim Reizdarm ist, welche Medikamente helfen und was du noch im Alltag tun kannst, erfährst du hier.
Was ist ein Reizdarm?
Die internationale Bezeichnung des Reizdarmsyndroms lautet „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS). Weitere Bezeichnungen sind auch ein “nervöser Darm” oder “Reizkolon”. Bei einem Reizdarm handelt es sich um eine funktionelle Darmstörung. Das bedeutet, es liegen keine organischen Ursachen vor, die die Erkrankung hervorrufen. Das Reizdarmsyndrom ist also eine Ausschlussdiagnose.
Die beruhigende Nachricht: Die Lebenserwartung ist bei Menschen mit einem Reizdarm nicht vermindert. Die Lebensqualität kann aber ganz schön in Mitleidenschaft gezogen werden, je nachdem wie ausgeprägt die Symptome der Darmerkrankung sind. So kann sich ein Reizdarm negativ auf die Arbeit, das Privatleben und die Freizeitgestaltung auswirken.
Häufigkeit des Reizdarms: ein nicht seltenes Syndrom!
Ein Reizdarm ist eine sehr häufige Störung des Darms. In den westlichen Industriestaaten leiden etwa 25 Prozent an der funktionellen Erkrankung des Verdauungstrakts. Oft tritt ein Reizdarmsyndrom das erste Mal im Alter zwischen 20 und 30 Jahren auf. Frauen sind im Vergleich zu Männern etwa doppelt so häufig betroffen.
Reizdarm und die Rolle der Darm-Hirn-Achse (“Bauchhirn”)
Unser gesamter Verdauungstrakt ist mit einem eigenen Nervensystem ausgekleidet, dem sogenannten enterischen Nervensystem, das aus über 100 Millionen Nervenzellen besteht. Es ist ein hochkomplexes System mit fast gleichen Zelltypen, Botenstoffen (Neurotransmitter) und Rezeptoren, wie wir sie im Nervensystem des Gehirns finden.
Über Neurotransmitter (insbesondere Serotonin) kommunizieren beide Nervensysteme permanent miteinander. Darüber wird dann auch unsere Stimmungslage, unser Appetit und die Schmerzempfindlichkeit beeinflusst. Wir fühlen “Schmetterlinge im Bauch”, wenn wir verliebt sind oder uns “schlägt etwas gehörig auf den Magen und Darm”, wenn wir Probleme oder Stress haben.
Bei einem Reizdarm scheint die gute Kommunikation zwischen Darm und Gehirn gestört zu sein. Unser Bauchhirn ist übermäßig aktiv und ruft die typischen Symptome eines Reizdarms hervor – so die Vermutung von Mediziner:innen.
Reizdarm: Ursachen, Auslöser und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen eines Reizdarmsyndroms sind noch nicht geklärt. Die Wissenschaft geht davon aus, dass wahrscheinlich mehrere Faktoren an der Entstehung beteiligt sind:
- Gestörte Darmbewegung (Motilitätsstörung)
- Psychische Belastungen (Ängste, Sorgen, ungelöste Konflikte), Stress
- Stärkere Schmerzwahrnehmung im Darm (Viszerale Hypersensitivität)
- Erhöhte Durchlässigkeit der Darmschleimhaut (Leaky-Gut-Syndrom)
- Bakterielle Darminfektionen (postinfektiöses Reizdarmsyndrom)
- Veränderte bakterielle Zusammensetzung der Darmflora (Mikrobiom)
- Falsche Ernährung, ungesundes Essverhalten, FODMAPs (engl.: „fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols“)
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
- Gestörter Serotonin-Haushalt, hoher Östrogenspiegel
- Genetische Faktoren
Reizdarm: Symptome und Symptom-Typen
Die Leitsymptome des Reizdarmsyndroms sind Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, Blähungen, Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung. Die Schmerzen werden als brennend, stechend oder dumpf beschrieben. Ein Reizdarm ist eine chronische Darmstörung, die in Schüben verläuft. Zeiten ohne Beschwerden wechseln sich immer wieder mit Phasen leichter oder schwerer Symptome ab. Gastroenterolog:innen unterscheiden vier Symptom-Typen nach vorherrschendem Symptom:
- Gas-Bläh-Typ mit vielen Blähungen
- Obstipations-Typ mit Verstopfungen
- Diarrhö-Typ mit Durchfällen
- Schmerz-Typ mit Krämpfen und Schmerzen
Begleitend zu den Leitsymptomen können folgende Beschwerden auftreten:
- Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) mit Schmerzen im Oberbauch, Völlegefühl, Appetitstörungen, Sodbrennen, Übelkeit und Erbrechen
- Herzrasen
- Schweißausbrüche
- Hitzewallungen
- Schlafstörungen
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
- Müdigkeit
Reizdarm-Syndrom: Wann zum Arzt oder zur Ärztin?
Sind die eher unspezifischen Symptome des Reizdarms stark ausgeprägt, solltest du die Beschwerden von einem Arzt oder einer Ärztin der Gastroenterologie abklären lassen. Hinter den Symptomen können sich auch andere Erkrankungen verbergen, die eine andere Therapie nötig machen. Daher handelt es sich bei einem Reizdarm auch um eine Ausschlussdiagnose.
Häufig tritt ein Reizdarm mit depressiven Verstimmungen, Depressionen und Angststörungen auf. Auch dann wäre es ratsam, die Ursachen abklären zu lassen, damit kein Teufelskreis entsteht: Denn psychische Beschwerden verstärken die Reizdarm-Symptomatik und die Beschwerden des Reizdarms wirken sich wiederum negativ auf die Psyche aus.
Reizdarm: Diagnose
Zunächst gilt es, andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen eines Reizdarms abzuklären und auszuschließen, z. B. Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder chronische Darmentzündungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Erst dann kann die Diagnose Reizdarm gefällt werden. Wenn es um Beschwerden im Magen-Darm-Trakt geht, ist eine Facharztpraxis der Gastroenterologie die richtige Anlaufstelle. Neben einem intensiven, ausführlichen Ärzt:innen-Patient:innen-Gespräch (Anamnese) über die Beschwerden kommen weitere Untersuchungsmethoden zum Einsatz:
- Anamnese
- Blutuntersuchung
- Stuhlprobe
- Darmspiegelung (Endoskopie)
Die Diagnose Reizdarm können Ärzt:innen nur dann stellen, wenn diese drei Kriterien erfüllt sind:
- Darmbeschwerden mit Stuhlveränderungen dauern mehr als drei Monate an.
- Die Lebensqualität ist beeinträchtigt, sodass Betroffene Hilfe benötigen.
- Andere Erkrankungen konnten ausgeschlossen werden.
Therapie: Gut leben mit einem Reizdarm
Je nachdem, wie ausgeprägt die Beschwerden des Reizdarms sind und welches Symptom im Vordergrund steht, gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, die Beschwerden zu lindern. Wir zeigen dir, welche medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien aus dem Bereich der Schulmedizin und Alternativmedizin es gibt und was du selbst im Alltag tun kannst, um die Beschwerden zu lindern.
Medikamentöse Behandlung beim Reizdarmsyndrom
Mit Medikamenten können akute Symptome eines Reizdarms gelindert werden. Bei vielen Arzneien können Nebenwirkungen auftreten. Daher sollten sie möglichst nicht über längere Zeit eingenommen werden. Die Dosierung wird am besten mit einem Arzt oder einer Ärztin besprochen. Je nach Symptom können diese Medikamente bei einem Reizdarm eingenommen werden:
- Spasmolytika sind krampflösende Mittel, die bei Schmerzen und Krämpfen Linderung verschaffen (z. B. Arzneien mit dem Wirkstoff Butylscopolamin).
- Detergenzien sind blähungstreibende Mittel und wirken gegen die Gasbildung im Darm.
- Antidiarrhoika sind Medikamente mit dem Wirkstoff Loperamid, die bei Durchfällen eingesetzt werden.
- Laxanzien sind Abführmittel, die bei Verstopfungen hilfreich sind und die Darmentleerung unterstützen.
- Flohsamenschalen sind quellende Mittel, die auf natürliche Weise den Darm bei der Entleerung unterstützen und bei Verstopfung eingesetzt werden.
- Antidepressiva sind Mittel, die bei depressiven Verstimmungen und Depressionen (mögliche Auslöser für einen Reizdarm) angewendet werden.
- Probiotika (Bakterienstämme der Bifidobakterien und Laktobazillen) können laut der S3-Leitlinie der DGVS (Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) Bauchschmerzen, Blähungen und Verstopfung lindern.
Ernährung bei einem Reizdarm
Bestimmte Nahrungsmittel, eine ungesunde Ernährungsweise und ein gewisses Ernährungsverhalten können Beschwerden eines Reizdarms auslösen oder verschlimmern. Daher ist eine individuell angepasste Ernährung ein wichtiger Baustein in der Therapie des Reizdarmsyndroms und kann entsprechend an das vorherrschende Symptom angepasst werden:
- Blähungen: Nahrungsmittel mit blähender Wirkung möglichst meiden. Dazu gehören z. B. Bohnen, Kohl, Zwiebeln und Knoblauch.
- Verstopfung: Ballaststoffreiche Nahrungsmittel bevorzugen.
- Durchfall: Nahrungsmittel mit stopfenden Effekten verzehren.
Sind die Beschwerden wechselhaft und nicht so eindeutig, kann ein Ernährungstagebuch dabei helfen, herauszufinden, welche Nahrungsmittel gut und welche weniger gut vertragen werden.
FODMAP-Diät bei einem Reizdarm
FODMAP (engl.: „fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols“) steht für vergärbare Mehrfach- und Einfachzucker und mehrwertige Alkohole, die in vielen Nahrungsmitteln stecken. Sie gehören zur Gruppe von Kohlenhydraten und Zuckeralkoholen. Bei einem Reizdarm wird empfohlen, möglichst auf solche Lebensmittel zu verzichten.
Das Problem beim Verzehr sogenannter FODMAPs ist, dass unser Dünndarm diese nicht gut aufnehmen und verwerten kann. So gelangt der Speisebrei ungefiltert in unseren Dickdarm. Dort werden die Nahrungsreste dann im Gärungsprozess vergoren (fermentiert), wodurch Gase im Darm entstehen. Die Folge: Blähungen, Bauchkrämpfe und Bauchschmerzen oder Durchfall.
Ernährungs-Tipps für den Alltag
- Möglichst naturbelassene Lebensmittel ohne künstliche Zusatzstoffe präferieren
- Möglichst auf Rohkost (Obst, Gemüse, Salat) am Abend verzichten
- Probiotika und probiotische Lebensmittel zuführen (z. B. Kefir, Sauerkraut, Joghurt), um die Darmflora zu unterstützen
- Speisen gründlich kauen (eine gute Verdauung beginnt im Mund)
- Mehrere kleine Mahlzeiten bevorzugen (anstelle von großen Portionen)
- Mahlzeiten regelmäßig einnehmen (z. B. 3 Hauptmahlzeiten, 1 bis 2 Zwischenmahlzeiten)
- Essen in entspannter Atmosphäre genießen (bitte nicht im Gehen, Stehen)
Psychotherapeutische Maßnahmen bei einem Reizdarm
Besteht ein Zusammenhang zwischen einem Reizdarmsyndrom und psychischen Beschwerden wie ungelösten Konflikten, Depressionen oder Angststörungen, wäre eine kognitive Verhaltenstherapie im Rahmen einer Psychotherapie sinnvoll. Betroffenen werden die Zusammenhänge zwischen psychischen Faktoren und einer Verschlimmerung der Reizdarm-Symptome vermittelt. Außerdem lernen sie, besser mit der Situation umzugehen.
Heilpflanzen bei einem Reizdarm
Hilfe bei einem nervösen Darm gibt es auch aus der Natur. Verschiedene Heilpflanzen mit einer krampflösenden und blähungstreibenden Wirkung können bei Bauchschmerzen, Bauchkrämpfen und Blähungen zur Linderung der Beschwerden beitragen:
- Krämpfe, Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl: Kümmel, Kümmelöl, Pfefferminzöl
- Schmerzen und Durchfall: Berberitze
- Schmerzen, Blähungen und Verstopfung: “Padma Lax” (tibetisches Abführmittel), Flohsamenschalen
Die Kommission E (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) und der ESCOP (Europäischer Dachverband der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie) empfehlen außerdem Kümmel (Carum carvi) und Kümmelöl bei Verdauungsbeschwerden, krampfartigen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt sowie bei Blähungen und Völlegefühl.
Was tun bei einem Reizdarm? Hilfreiche Hausmittel und Tipps für den Alltag
Folgende Tipps für den Alltag können sich positiv auf ein Reizdarm-Syndrom auswirken und die Lebensqualität steigern:
- Auslösende Trigger (Stress, Nahrungsmittel) vermeiden
- Regelmäßige Bewegung und Sport in den Alltag integrieren
- Spaziergänge an der frischen Luft unternehmen
- Für eine gute Schlafhygiene sorgen und Schlafmangel vermeiden
- Ernährungsumstellung in Angriff nehmen (z. B. FODMAP-Diät)
- Auf Genussmittel (Alkohol, Nikotin, Kaffee) möglichst verzichten
- Ausreichend Flüssigkeit aufnehmen (1,5 bis 2 Liter Wasser oder ungesüßten Tee)
- Entspannungsmethoden zur Stressprävention lernen, z. B. Achtsamkeit wie Mindful-based Stress Reduction (MBSR), Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga, Meditation, Tai-Chi, Qigong
- Bauch- und Darmmassagen anwenden (Anregung der Darmtätigkeit)