In jeder Schulklasse sitzt inzwischen ein Kind, das es ohne künstliche Befruchtung nicht geben würde. Statistisch gesehen. Die ICSI ist die häufigste Form der künstlichen Befruchtung. 2014 kam die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion bei 75 % aller künstlichen Befruchtungen zum Einsatz. Welche Erfolgschancen die Behandlung hat, welche Kosten auf ein Paar zukommen und wie der Ablauf einer ICSI ist, erfährst Du hier.
Was ist ICSI?
Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist eine besondere Methode der In-Vitro-Fertilisation (IVF), einem weit verbreiteten Verfahren der künstlichen Befruchtung. Dabei findet die Befruchtung zwar auch in der Petrischale statt. Allerdings wird hier eine einzelne Samenzelle direkt in die reife Eizelle injiziert. Bei der herkömmlichen IVF wird die Eizelle in der Petrischale lediglich mit den Samenzellen zusammengeführt. Die potenteste Samenzelle muss es dann von selbst schaffen, in die Eizelle vorzudringen und sie zu befruchten.
Für wen ist die ICSI geeignet?
Paare können bei unerfülltem Kinderwunsch eine ICSI-Behandlung vor allem dann in Betracht ziehen, wenn:
- Es nur wenige geeignete Spermien gibt (z.B. gut bewegliche Spermien)
- Die klassische IVF nicht zur Befruchtung führte
- Die Spermien nicht in die Eizelle eindringen können
- Bei den Partnern keine Ursache für die eingeschränkte Fruchtbarkeit gefunden wird
- Beide Partner eingeschränkt fruchtbar sind
- Es zu wenige weibliche Eizellen gibt
Enthält das Ejakulat des Mannes keine oder zu wenig befruchtungsfähige Spermien, können zum Beispiel folgende Probleme dahinterstecken:
- Fehlende Samenleiter
- Verschlossene Samenwege
- Eine Störung der Produktion von Samenzellen in den Hoden
- Antikörper auf die Spermien in der Samenflüssigkeit
ICSI Ablauf
Der Ablauf einer ICSI-Behandlung ist dem der herkömmlichen IVF ähnlich. Er gliedert sich in folgende Schritte:
- Evtl. Chromosomenanalyse
- Hormonelle Stimulation
- Entnahme der Eizellen (Follikelpunktion)
- Spermiengewinnung und Auswahl des besten Spermiums
- Injektion der Samenzelle in die Eizelle
- Embryotransfer in die Gebärmutter
Chromosomenanalyse vor ICSI
Gibt es genetische Ursachen für den unerfüllten Kinderwunsch, kann vor der ICSI eine Chromosomenanalyse beider Partner durchgeführt werden. Hat einer der Partner eine bis dato nicht entdeckte Chromosomenstörung, ist das Risiko für eine Fehlgeburt oder der Geburt eines behinderten Kindes erhöht. Die Untersuchung gibt demnach Aufschluss über die Chancen auf Erfolg einer ICSI. Für eine Chromosomenanalyse ist eine Blutuntersuchung notwendig.
Hormonelle Stimulation vor ICSI
Unterdrückung der natürlichen Hormonproduktion: langes Protokoll
In vielen Fällen wird der natürliche Zyklus der Frau bei der ICSI mit einer hormonellen Behandlung unterdrückt. So lässt sich ein vorzeitiger Eisprung verhindern. Außerdem können Reproduktionsmediziner so den genauen Zeitpunkt für den künstlich herbeigeführten Eisprung bestimmen. Dazu bekommt die Frau in der zweiten Hälfte des Zyklus‘, der dem eigentlichen Behandlungszyklus vorausgeht, Medikamente verabreicht.
Dabei handelt es sich um die sogenannten GnRH-Analoga. Sie drosseln die Produktion der zur Eizellreifung benötigten Hormone (Gonadotropine) im Körper der Frau. Diese Vorbehandlung wird auch als „langes Protokoll“ bezeichnet. Im Anschluss daran erfolgt die eigentliche Hormonbehandlung, die die Eizellreifung fördern soll. Diese Behandlung nennt sich „kurzes Protokoll“.
Hormongabe zur Reifung mehrerer Eizellen: kurzes Protokoll
Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich bei der ICSI-Behandlung für ein „kurzes Protokoll“ zu entscheiden. Dieses kommt ohne die hormonelle Behandlung im vorhergehenden Zyklus aus. Hier beginnt die Frau meist am 3. Zyklustag mit der hormonellen Stimulation der Eierstöcke. Diese sollen dazu angeregt werden, gleich mehrere reife Eizellen auf einmal zu produzieren.
Die Frau spritzt sich beim kurzen Protokoll 8 bis 10 Tage lang täglich Hormone. Dabei handelt es sich um die sogenannten Gonadotropine. Das sind zum einen das Follikelstimulierende Hormon (FSH) und zum anderen das Luteinisierende Hormon (LH). Die Hormone können alternativ auch über Tabletten mit dem Arzneistoff Clomifen eingenommen werden. Laut Studien stehen die Erfolgschancen bei den Injektionen aber besser.
Um die Eizellreifung zu beobachten und die Hormondosis gegebenenfalls nachjustieren zu können, wird bis zum Eisprung ein- oder zweimal ein Ultraschall durchgeführt.
Entnahme der Eizellen bei ICSI (Punktion)
Liegen reife Eizellen vor, wird der Frau mit einer Hormonspritze das humane Choriongonadotropin (hCG) verabreicht. Mit diesem Hormon wird der Eisprung künstlich zu einem festgelegten Zeitpunkt ausgelöst. Nach etwa zwei Tagen werden die gereiften Eizellen mit einer dünnen Hohlnadel über die Scheide aus beiden Eierstöcken entnommen. Die Follikelpunktion (Eizellentnahme) erfolgt wie bei der IVF via Ultraschall. Die Patientin erhält eine Vollnarkose. Die Eizellentnahme dauert in der Regel bis zu 15 Minuten.
Gewinnung des Spermas
Das Sperma wird am Tag der Eizellentnahme durch Masturbation gewonnen, sodass dem Reproduktionsmediziner frisches Sperma zur Verfügung steht. Es kann wie bei der IVF aber auch tiefgefrorenes Sperma für eine ICSI verwendet werden.
Enthält das Ejakulat (Samenerguss) eines Mannes mit Kinderwunsch keine Spermien, können diese durch einen operativen Eingriff aus dem Hoden (TESE: Testikuläre Spermatozoen-Extraktion) oder den Nebenhoden (MESA: Mikrochirurgische Epididymale Spermienaspiration) entnommen werden.
Auswahl des besten Spermiums bei ICSI
Da bei der künstlichen Befruchtung mit ICSI nur eine einzelne Samenzelle benötigt wird, muss diese zunächst ausgewählt werden. Da sie in die Eizelle injiziert wird, muss sie nicht besonders beweglich sein. Auch wurden schon Behandlungserfolge mit nicht typisch geformten Samenzellen erzielt. Viel wichtiger ist, dass ein Spermium ausgewählt wird, das von seiner Anlage her genetisch einwandfrei ist. Denn damit steigt die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Befruchtung und ein lebensfähiges Kind.
ICSI: Injektion der Samenzelle in die Eizelle
Das ausgewählte Spermium wird nun im Labor mit einer feinen Pipette direkt in das Zytoplasma der im Vorfeld gewonnenen Eizelle injiziert. Auf die Art lassen sich auch mehrere Eizellen befruchten, die dann für einen späteren Versuch tiefgekühlt gelagert werden („Kryokonservierung“). Die befruchtete Eizelle kommt nach der Injektion 2 bis 4 Tage lang in einen Brutschrank. Dann wird geschaut, ob sich die befruchtete Eizelle mehrfach geteilt und zu einem Embryo weiterentwickelt hat.
Embryotransfer bei ICSI
Hat sich die Eizelle geteilt, wird der junge Embryo in die Gebärmutter übertragen (Embryotransfer). Dies geschieht mithilfe eines flexiblen Katheters. Da der Transfer bei der ICSI schmerzfrei ist, wird hier auf eine Narkose verzichtet. Um den Vorgang der Einnistung zu fördern, wird der Frau Progesteron (Gelbkörperhormon) verabreicht.
In der Regel wird ein Embryo übertragen. Es können aber auch 2 oder mehr sein. Mehr als 2 Eizellen sollten aber nicht in die Gebärmutter eingesetzt werden, um das Risiko für eine potenziell risikobehaftete Mehrlingsschwangerschaft gering zu halten.
Schwangerschaftstest nach ICSI: Ab wann kann ich einen Test machen?
Eine Schwangerschaft beginnt mit der erfolgreichen Einnistung der Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut. Ab dem Zeitpunkt steigt der hCG-Wert im Blut immer mehr an. Denn das Schwangerschaftshormon sorgt dafür, dass die Schwangerschaft erhalten bleibt.
Spätestens 14 Tage nach dem Transfer kann das hCG im Blut und Urin der Frau nachgewiesen werden. Dann kannst Du im Kinderwunschzentrum oder bei der Frauenärztin einen Schwangerschaftstest durchführen lassen. Alternativ greifst Du zum klassischen Schwangerschaftstest aus der Apotheke.
Schwangerschaftsrechner bei erfolgreicher ICSI
War die Methode der künstlichen Befruchtung erfolgreich, kannst Du mit einem Schwangerschaftsrechner im Internet sowohl die Schwangerschaftswoche als auch den Geburtstermin Deines Kindes ausrechnen.
ICSI Kosten
Die ICSI-Behandlung ist die teuerste Variante der künstlichen Befruchtung, denn sie ist aufwändiger als die anderen Methoden. So ist sie deutlich kostenintensiver als die Intrauterine Insemination und auch teurer als die klassische In-Vitro-Fertilisation. Im Schnitt muss ein Paar bei der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion mit Kosten in Höhe von 3000 bis 5000 Euro rechnen.
Die gesetzlichen Kranklenkassen tragen für bis zu 3 Behandlungszyklen jeweils die Hälfte der Kosten. Dies gilt aber nur, wenn ein entsprechender Antrag eingegangen ist und folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Paar ist verheiratet
- Die Frau ist zwischen 25 und 40 Jahre alt
- Der Mann ist zwischen 25 und 49 Jahre alt
- Es liegen 2 Spermiogramme vor, die eine eingeschränkte Fruchtbarkeit belegen
- Untersuchung bei einem Andrologen (Arzt für Männerheilkunde)
Bei Paaren mit einer Privatversicherung gibt es hinsichtlich der Kostenübernahme andere Rahmenbedingungen. Zu welchem Anteil die Kosten bezuschusst werden, variiert von Kasse zu Kasse. Erkundige Dich rechtzeitig bei Deiner zuständigen Krankenversicherung.
ICSI Erfolgschancen
Die Erfolgsrate für eine Schwangerschaft liegt bei dieser Form der In-Vitro-Befruchtung bei bis zu 30 %. Wie bei einer gewöhnlichen Schwangerschaft auch, kann es zu einer Fehlgeburt kommen, sodass die Geburtenrate pro Zyklus mit 15 bis 20 % etwas geringer ist. Die Chance durch ICSI schwanger zu werden ist ähnlich gut wie bei der herkömmlichen IVF. Mithilfe der ICSI lässt sich die Erfolgsrate auch bei Männern mit einer stark eingeschränkten Spermienqualität verbessern.
In der Regel findet nach einer ICSI eine Befruchtung der Eizelle statt. Bei über 70 % der Eizellen ist dies der Fall. Allerdings fällt die Schwangerschaftsrate deutlich geringer aus, weil die befruchteten Eizellen sich zum Beispiel nicht weiterentwickeln oder sich nicht einnisten. Andere Embryonen wiederum gehen in der Frühschwangerschaft als Fehlgeburt ab. Meist liegt dann eine Fehlentwicklung beim Embryo vor.
Auf die Art verringert sich die tatsächliche Erfolgsquote für ein lebend geborenes Baby nochmals, sodass sie letztlich bei bis zu 20 % liegt. Das Alter der Frau ist auch bei der ICSI eine wichtige Größe, wenn es um den Erfolg einer Schwangerschaft geht.
ICSI Nebenwirkungen
Risiko Fehlgeburt und Fehlbildungen des Embryos
Bei der ICSI ist das Risiko für eine Fehlgeburt etwas höher als bei einer normal entstandenen Schwangerschaft. Dies schreiben Forscher hauptsächlich dem fortgeschrittenen Alter der Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch zu. Denn je älter eine Frau ist, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlgeburt. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass die Eizellen nicht mehr so intakt sind wie in jüngeren Jahren. Doch auch die Samenzellen bei reiferen Männern sind häufiger schadhaft, sodass genetische Defekte beim Embryo eine Fehlgeburt auslösen können.
Eine groß angelegte weltweite Studie hat ergeben, dass Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden, gegenüber den auf gewöhnlichem Weg gezeugten eine leicht erhöhte Fehlbildungsrate aufweisen. Demnach ist das fortgeschrittene Alter der Frau nicht die einzige Ursache, wenn es im Rahmen einer ICSI zu einer Fehlgeburt kommt.
Auch die Befruchtung im Reagenzglas selbst kann offenbar zu Entwicklungsproblemen führen – wenn das Risiko auch nur leicht erhöht ist. Im Vergleich mit der herkömmlichen IVF-Befruchtung besteht bei der ICSI kein höheres Risiko für Fehlbildungen beim Embryo.
Risiko Überstimulationssyndrom
Die hormonelle Stimulation im Zusammenhang mit einer ICSI kann wie bei der IVF in seltenen Fällen zum sogenannten Überstimulationssyndrom führen. In diesem Fall reagiert der Körper der Frau übermäßig auf die Hormone. Diese gefährlichste aller möglichen Nebenwirkungen kann zu Bauchschmerzen, Übelkeit oder Atemnot kommen. Letztere wird durch Wasseransammlungen im Bauchraum oder in der Lunge hervorgerufen.
Das Syndrom wird – wenn es auftritt – häufig bei Frauen beobachtet, die unter dem Polyzystischen Ovarsyndrom (PCO) leiden. Hier kommt es aufgrund von Hormonstörungen zur Bildung mehrerer Zysten an den Eierstöcken. Durch eine genaue Überwachung des Hormonstatus der Frau während der Hormonbehandlung konnte das Risiko für diese Nebenwirkung in den letzten Jahren gesenkt werden.
Risiko Verletzungen
Bei der Punktion der Eizellen besteht ein geringes Risiko für Verletzungen des umliegenden Gewebes. Auch eine Infektion mit Keimen kann bei der ICSI-Behandlung nicht ganz ausgeschlossen werden.
Im Rahmen der Spermiengewinnung aus den Hoden (TESE) oder Nebenhoden (MESA) des Mannes kann es ebenfalls zu Verletzungen am Gewebe kommen. Hier bestehen die üblichen Risiken, die mit einer Operation verbunden sind.
Risiko Mehrlingsschwangerschaft
Wie bei den anderen Methoden zur künstlichen Befruchtung besteht auch bei der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion das Risiko für eine Mehrlingsschwangerschaft. Die Wahrscheinlichkeit für Zwillinge oder Mehrlinge soll für die ICSI und die IVF bei 20 bis 30 % liegen. Eine Mehrlingsschwangerschaft ist risikobehafteter als eine Schwangerschaft mit nur einem Kind. Es kommt häufiger zu einer Frühgeburt, die diverse Risiken für das Kind mit sich bringt.
Risiko psychische Belastung
Die psychischen Folgen einer Kinderwunschbehandlung werden bei den Nebenwirkungen oft nicht erwähnt. Dabei empfinden über 80 % der Paare eine künstliche Befruchtung als seelisch sehr belastend. All das Hoffen und Bangen, die Einnahme von Hormonen, die vielen Arzttermine, der Druck, den ein Paar sich selbst macht. Der ganze Prozess zum potenziellen Wunschkind ist mit Stress verbunden. Wenn die Behandlung dann trotz aller Mühen erfolglos bleibt, machen sich Trauer, Wut und Enttäuschung breit. Diese Gefühle können sich bis zu einer Depression auswachsen – beim Mann ebenso wie bei der Frau.
Auch Partnerschaftskonflikte bis hin zur Trennung sind möglich. Oft schweißt das Erlebte ein Paar aber auch noch enger aneinander. Kann der Kinderwunsch auch mithilfe der künstlichen Befruchtung nicht erfüllt werden, sollte sich ein Paar einen Alternativplan fürs Leben zurechtzulegen. Im Idealfall tauscht sich ein Paar schon im Vorfeld der Behandlung darüber aus, wie ein schönes Leben zu zweit aussehen könnte. Auch kann eine Adoption ein weiterer möglicher Weg zu einem Kind sein.